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Das Interesse an der Verteilung von Einkommen und Vermögen ist in jüngster Zeit wieder neu entbrannt. Nicht zuletzt, weil nach vielen Jahren der Stabilität die Ungleichheit in vielen Ländern wieder zunimmt. Auch in der Schweiz geniesst die Frage nach der Einkommens- und Vermögensverteilung in der öffentlichen und politischen Diskussion grosse Aufmerksamkeit.
Die Analyse über die letzten 100 Jahre zeigt, dass im Ländervergleich das Niveau der Einkommen und Löhne in der Schweiz hoch ist, die Ungleichheit zwischen Arm und Reich wenig stark ausgeprägt ist und sich die Öffnung der Einkommensschere über die Zeit in engen Grenzen hält. Die Ausnahme bilden die Superreichen, deren Anteile in jüngster Zeit deutlich zugenommen haben. Die relativ egalitäre Primärverteilung der Einkommen und Löhne und die föderale Struktur mit ihrem Steuerwettbewerb führen dazu, dass Bedarf und Ausmass der Umverteilung relativ gering ausfallen. Als Kehrseite der Medaille ist die hohe Stabilität wohl ein Grund dafür, dass die Einkommensmobilität im internationalen Vergleich gering ausfällt. Dafür fällt das Durchschnittsniveau der Einkommen rekordhoch aus.
Die gefundenen Aussagen gelten verstärkt für die Vermögen. Diese reagieren viel träger auf Einzelereignisse, weil sie über Jahrzehnte aufgebaut werden. Die anhaltende politische Stabilität und die berechenbare Wirtschaftspolitik haben der Schweiz neben sehr hohen Durchschnittsvermögen eine sehr persistente Vermögensverteilung beschert, womit sie unter Industrieländern eine grosse Ausnahme darstellt. Entsprechend ist die Vermögenskonzentration im internationalen Vergleich sehr hoch. Das Ausmass relativiert sich aber, wenn wir die für die Schweiz wichtigen Pensionskassenvermögen miteinbeziehen.
Das Interesse an der Verteilung von Einkommen und Vermögen ist in jüngster Zeit wieder neu entbrannt. Nicht zuletzt, weil nach vielen Jahren der Stabilität die Ungleichheit in vielen Ländern wieder zunimmt. Auch in der Schweiz geniesst die Frage nach der Einkommens- und Vermögensverteilung in der öffentlichen und politischen Diskussion grosse Aufmerksamkeit.
Die Analyse über die letzten 100 Jahre zeigt, dass im Ländervergleich das Niveau der Einkommen und Löhne in der Schweiz hoch ist, die Ungleichheit zwischen Arm und Reich wenig stark ausgeprägt ist und sich die Öffnung der Einkommensschere über die Zeit in engen Grenzen hält. Die Ausnahme bilden die Superreichen, deren Anteile in jüngster Zeit deutlich zugenommen haben. Die relativ egalitäre Primärverteilung der Einkommen und Löhne und die föderale Struktur mit ihrem Steuerwettbewerb führen dazu, dass Bedarf und Ausmass der Umverteilung relativ gering ausfallen. Als Kehrseite der Medaille ist die hohe Stabilität wohl ein Grund dafür, dass die Einkommensmobilität im internationalen Vergleich gering ausfällt. Dafür fällt das Durchschnittsniveau der Einkommen rekordhoch aus.
Although Switzerland regularly takes on the best positions in the world with respect to average income and wealth, the question of distribution consistently defines public discourse in the country. Political processes, which constantly fight perceived, continually increasing inequality, are not lacking. In the past years, Swiss citizens voted on a national inheritance tax, the 1:12 plebiscite, or the “Abzocker” plebiscite against high executive compensation, and the Swiss young socialists launched the so-called “99% plebiscite” in October 2017.
Although an actual increase in inequality can actually be observed in many countries, the new UBS Center paper shows that the income distribution in Switzerland is surprisingly stable, and the opening of the “income scissors” is thus more perceived than real. The Gini coefficient, as a measure for total unequal income distribution, has only changed negligibly, and the share of the wealthiest 1% (and thus of the famed remaining 99%) on aggregate income has remained relatively stable over the last decades (see graph). The super rich remain the only exception, as their share has increased strongly in recent years.
Swiss stability is even more evident in the distribution of wealth, where the absence of wars and crises and the existence of predictable economic policies has given Switzerland a highly stable distribution of wealth, which is internationally a special case. A result of this unusual stability is that the concentration of wealth in Switzerland is among the highest worldwide. The authors show, however, with new research results that this measure becomes more relative when pension fund assets, which are very important in Switzerland, are included.
The stability here definitely becomes a problem in the area of mobility. Economists consider this to be central in justifying large inequalities in income, as differences in income are an incentive to expend effort to get to the top. The numbers show, however, that this mechanism in Switzerland only works in a limited manner. Increases or decreases in salary over the course of a career remain in tight limits, and in reality, low-income earners usually remain low-income earners, and high-income earners generally remain high-income earners. The same applies over generations, where children of high-income earners usually become high-income earners, and many children of low-income earners also later become low-income earners. The authors consider educational mobility – where Switzerland has low values – to be the main explanation for the low intergenerational mobility, which is also internationally very low. For example, the share of university students whose parents have low education levels is extremely low with 6%. Since htmleducation determines a person’s productivity, it is also the determining factor for his or her salary level. The praised dual educational system in Switzerland in its present form results, in addition to low unemployment, in low educational mobility.
The new UBS Center Public Paper also emphasizes that the public debates and political activities on the theme of inequality address perceived rather than real problems, and that, from both an economic and an ethical point of view, it would make more sense to discuss the improvement of educational mobility rather than income inequality. Research results show that, in particular, preschool care and early entry into school, public schools of high quality, and a stipend system for students from low-income families can increase educational mobility – and as a direct consequence of this – also income mobility.
Although Switzerland regularly takes on the best positions in the world with respect to average income and wealth, the question of distribution consistently defines public discourse in the country. Political processes, which constantly fight perceived, continually increasing inequality, are not lacking. In the past years, Swiss citizens voted on a national inheritance tax, the 1:12 plebiscite, or the “Abzocker” plebiscite against high executive compensation, and the Swiss young socialists launched the so-called “99% plebiscite” in October 2017.
Although an actual increase in inequality can actually be observed in many countries, the new UBS Center paper shows that the income distribution in Switzerland is surprisingly stable, and the opening of the “income scissors” is thus more perceived than real. The Gini coefficient, as a measure for total unequal income distribution, has only changed negligibly, and the share of the wealthiest 1% (and thus of the famed remaining 99%) on aggregate income has remained relatively stable over the last decades (see graph). The super rich remain the only exception, as their share has increased strongly in recent years.
Ökonomische Unterschiede zwischen Arm und Reich werden wieder breit diskutiert und sind auch wegen Protesten empörter Bürgerinnen und Bürger zum Wahlkampfthema im In- und Ausland geworden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Der in vielen Ländern beobachtete Anstieg der Ungleichheit, die verstärkte Globalisierung mit dem Eintritt bisheriger Schwellenländer in den Weltmarkt, die (zu) langsame Erholung nach der Wirtschaftskrise mit ungewissen Wachstumsperspektiven und nicht zuletzt die aktuelle Diskussion über eine Industrielle Revolution 4.0, die einen verstärkten Rationalisierungsschub auf den Arbeitsmärkten mit sich brachte und weiter bringen wird. Und jüngst hat das einflussreiche Buch von Thomas Piketty «Capital in the 21st Century» das Thema auf eine breite gesellschaftliche und politische Sphäre gehoben.
Ausgehend von der Diskussion in den USA wird verschiedentlich gefordert, eine kleine Schicht von Superreichen stärker zu besteuern – entweder direkt, oder indirekt über eine Kapitaltransaktionssteuer. Die Zielgruppe einer solchen Politik wird oft als das «Top-1%» bezeichnet, womit das reichste Prozent der Steuerzahler eines Landes gemeint ist. Begründet wird eine stärkere Besteuerung der Superreichen damit, dass die Reichsten augenscheinlich am meisten von der verstärkten Globalisierung profitiert haben. Frankreich erhöhte kurzfristig den Steuersatz für Arbeitseinkommen über 1 Million Euro auf 75%. Ebenso liegen Vorschläge zur Begrenzung der Leistungsentlohnung auf dem Tisch. So kündigte die britische Regierung 2009 an, Boni von Bankern im Jahre 2010 zu 50% zu besteuern. EU-weit dürfen seit dem 1. Januar 2014 Bankangestellte nur noch maximal das Doppelte des Grundgehalts als Bonus bekommen. Zudem wird davon ein Teil mehrere Jahre zurückbehalten.
Das Unverständnis gegenüber – durchaus auch medial ausgeschlachteten – Boni- Exzessen einzelner Manager oder eine allgemeine Desillusionierung aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise haben nicht nur zu einer Diskussion auf der politischen und gesellschaftlichen Ebene geführt. Nein, auch die Wirtschaftsforschung hat sich in den letzten fünfzehn Jahren wieder vermehrt mit der Verteilung von Einkommen und Vermögen befasst und sich dabei insbesondere auch der Entwicklung der hohen Einkommen und Vermögen gewidmet. Thomas Piketty legte mit seinem 2001 veröffentlichten Buch zur langjährigen Entwicklung der Topeinkommen und Vermögen in Frankreich im 20. Jahrhundert den Grundstein für eine neue Welle von Forschungsprojekten zu Topeinkommen und Einkommensungleichheit. Diese Themen gehörten eigentlich zu den Grundfragen der klassischen Volkswirtschaftslehre, waren jedoch in den 1980er- und 1990er- Jahren vermehrt in den Hintergrund der Wachstumsdebatte gerückt. Das erneute, breite Interesse an Verteilungsfragen zeigt sich auch in zahlreichen neueren Publikationen zu diesem Thema, so unter anderem eine 2008 neu lancierte Berichtserie der OECD zu dem Thema und dem erwähnten Bestseller von Thomas Pikettys «Kapital im 21. Jahrhundert», welcher bislang in 35 Sprachen übersetzt wurde.
Aus diesen Gründen muss die Verteilungsfrage in der Schweiz besonders interessieren. Die angesprochenen Entwicklungen sind hier speziell präsent: Die Schweiz ist eine kleine, offene Volkswirtschaft mit 5 einem wichtigen Finanzplatz und Sitz vieler multinationaler Unternehmen. Diese Elemente machen die Schweiz im Durchschnitt zu einem der reichsten Länder der Welt, was diverse Studien bestätigen. So weist die Schweiz weltweit das höchste Durchschnittsvermögen auf und rangiert mit grossem Abstand vor Australien und Belgien auf Platz eins. Auch hinsichtlich Durchschnittseinkommen und des durchschnittlichen Lebensstandards erreicht die Schweiz globale Spitzenwerte.
Dennoch geniesst die Frage nach der Einkommens- und Vermögensverteilung auch in der öffentlichen und politischen Diskussion in der Schweiz grosse Aufmerksamkeit. Das zeigt sich durch die Vielzahl an Vorstössen und Initiativen zu diesen Themen. So stimmten die Schweizer in den letzten Jahren unter anderem über eine nationale Erbschaftssteuerreform und die 1:12-Initiative ab. Letztere zielte darauf ab, die höchsten Löhne innerhalb einer Unternehmung auf das maximal 12-Fache des tiefsten Lohnes innerhalb derselben Unternehmung zu beschränken. Die Initiative über ein bedingungsloses Grundeinkommen schliesslich konzentrierte sich auf das untere Ende der Verteilung. Alle diese Begehren waren aber letztlich beim Volk chancenlos und wurden deutlich verworfen. Mehr Erfolg beschieden war einzig der «Abzocker-Ini- tiative» von Thomas Minder, welche eine Stärkung der Aktionärsrechte ermöglicht hat, um so überrissenen Boni-Zahlungen entgegenzuwirken. Die Saläre von Top- verdienern führen aber auch weiterhin zu öffentlichen Debatten und auch politische Vorstösse dazu reissen nicht ab; letztes Beispiel ist die ständerätliche Forderung, sicherzustellen, dass die Chefs von bundesnahen Betrieben keine «überrissenen» Löhne erhalten.
In diesen oft hitzig geführten Debatten bleibt bisweilen wenig Raum für nüchterne Fakten. Diesen widmet sich das vorliegende Public Paper, welches einer breiteren Öffentlichkeit den aktuellen Wissensstand der Forschung zur Verteilung von Einkommen und Vermögen in der Schweiz über die letzten 100 Jahre in kompakter Form präsentieren will. Eine solche Analyse ist zudem auch in einem internationalen Kontext von grossem Interesse, so zum Beispiel aufgrund der Attraktivität der Schweiz für Vermögende, wegen der zentralen Rolle ihres Finanzplatzes oder in Bezug auf den internationalen Steuerwettbewerb, wo das Land seit der Finanz- und europäischen Schuldenkrise bisweilen ins Zen-trum der internationalen Diskussion geraten ist.
Ökonomische Unterschiede zwischen Arm und Reich werden wieder breit diskutiert und sind auch wegen Protesten empörter Bürgerinnen und Bürger zum Wahlkampfthema im In- und Ausland geworden. Die Gründe dafür sind vielfältig: Der in vielen Ländern beobachtete Anstieg der Ungleichheit, die verstärkte Globalisierung mit dem Eintritt bisheriger Schwellenländer in den Weltmarkt, die (zu) langsame Erholung nach der Wirtschaftskrise mit ungewissen Wachstumsperspektiven und nicht zuletzt die aktuelle Diskussion über eine Industrielle Revolution 4.0, die einen verstärkten Rationalisierungsschub auf den Arbeitsmärkten mit sich brachte und weiter bringen wird. Und jüngst hat das einflussreiche Buch von Thomas Piketty «Capital in the 21st Century» das Thema auf eine breite gesellschaftliche und politische Sphäre gehoben.
Ausgehend von der Diskussion in den USA wird verschiedentlich gefordert, eine kleine Schicht von Superreichen stärker zu besteuern – entweder direkt, oder indirekt über eine Kapitaltransaktionssteuer. Die Zielgruppe einer solchen Politik wird oft als das «Top-1%» bezeichnet, womit das reichste Prozent der Steuerzahler eines Landes gemeint ist. Begründet wird eine stärkere Besteuerung der Superreichen damit, dass die Reichsten augenscheinlich am meisten von der verstärkten Globalisierung profitiert haben. Frankreich erhöhte kurzfristig den Steuersatz für Arbeitseinkommen über 1 Million Euro auf 75%. Ebenso liegen Vorschläge zur Begrenzung der Leistungsentlohnung auf dem Tisch. So kündigte die britische Regierung 2009 an, Boni von Bankern im Jahre 2010 zu 50% zu besteuern. EU-weit dürfen seit dem 1. Januar 2014 Bankangestellte nur noch maximal das Doppelte des Grundgehalts als Bonus bekommen. Zudem wird davon ein Teil mehrere Jahre zurückbehalten.
Prof. Reto Föllmi ist Professor für Internationale Ökonomie sowie Direktor des SIAW-HSG an der Universität St. Gallen. Er ist Mitglied des Ausschusses für Makroökonomie des Vereins für Sozialpolitik, Research Affiliate am Center for Economic Policy Research (CEPR) und Mitglied der Programmkommission von Avenir Suisse. Das Forschungsinteresse von Prof. Dr. Reto Föllmi richtet sich auf die Gebiete Makroökonomik, Internationaler Handel, Wachstum und Industrielle Organisation. Insbesondere forscht er in den Bereichen der Handelspolitik und der Einkommensungleichheiten.
Martínez is an Economist working on topics around the distribution of income and wealth, how we tax these things, and how people’s behavior responds to taxes. Since April 2020, she has been holding a research position at KOF Institute at ETH Zurich. During the Fall term 2021/22, she was Distinguished Visiting Scholar at the City University of New York (CUNY). She is a CEPR Research Affiliate, a Fellow of the World Inequality Database Project (WID.world) and of the SIAW Institute at the University of St.Gallen, where she completed her PhD in 2016. From fall 2017 until spring 2020 she worked as an economist for the Swiss Federation of Trade Unions SGB-USS. Since 2018, Martínez represents the trade unions in the Swiss Competition Commission as an elected Member of the Commission.
Prof. Reto Föllmi ist Professor für Internationale Ökonomie sowie Direktor des SIAW-HSG an der Universität St. Gallen. Er ist Mitglied des Ausschusses für Makroökonomie des Vereins für Sozialpolitik, Research Affiliate am Center for Economic Policy Research (CEPR) und Mitglied der Programmkommission von Avenir Suisse. Das Forschungsinteresse von Prof. Dr. Reto Föllmi richtet sich auf die Gebiete Makroökonomik, Internationaler Handel, Wachstum und Industrielle Organisation. Insbesondere forscht er in den Bereichen der Handelspolitik und der Einkommensungleichheiten.
Martínez is an Economist working on topics around the distribution of income and wealth, how we tax these things, and how people’s behavior responds to taxes. Since April 2020, she has been holding a research position at KOF Institute at ETH Zurich. During the Fall term 2021/22, she was Distinguished Visiting Scholar at the City University of New York (CUNY). She is a CEPR Research Affiliate, a Fellow of the World Inequality Database Project (WID.world) and of the SIAW Institute at the University of St.Gallen, where she completed her PhD in 2016. From fall 2017 until spring 2020 she worked as an economist for the Swiss Federation of Trade Unions SGB-USS. Since 2018, Martínez represents the trade unions in the Swiss Competition Commission as an elected Member of the Commission.