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Von Maura Wyler (Text) und Ueli Christoffel (Bilder)
Was ist die Europäische Union, was bringt sie den Europäerinnen und Europäern und was soll sie in Zukunft können? «Die EU ist seit ihrer Gründung work in progress, man könnte auch sagen: eine Dauerbaustelle» erklärte der Bundespräsident. Dass es die EU heute noch gibt, sei erstaunlich, ergänzte er. Denn das System hat laut Van der Bellen Konstruktionsschwächen, etwa widersprüchliche Anreizstrukturen: «Der Mangel wurzelt im Europäischen Rat, dem Klub der nationalen Regierungschefs. Dieser stellt eine Art europäische Überregierung dar, neben der und abgehoben von der Europäischen Kommission.» Im Europäischen Rat sei es oft schwierig sich zu einigen, es werden Entscheidungen vertagt, nationale Interessen gehen häufig vor. Doch trotz dieser Schwächen, besteht die EU weiter, und das sei gut so, betonte Van der Bellen:
Denn die Stärke liegt in der Verbindung, die trotz zahlreicher Trennlinien Bestand hat. Und diese verbindende Stärke braucht es, um die zahlreichen Herausforderungen und Krisen zu meistern, denen Europa heute entgegensieht. Prof. Van der Bellen, der selbst Ökonom ist und zuletzt an der Universität Wien lehrte und forschte, sprach im Vortrag von einer Vielzahl an Krisen: Klimanotstand, geopolitische Verschiebungen, Kriege, Migrationsproblematik und viele mehr. Zum Thema Klimanotstand fand Van der Bellen klare Worte: «In meinen Augen sind Massnahmen gegen die Klimakrise nicht nur ein ökologisches Gebot, sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit.» Als Beispiel nannte er die Auswirkungen des Klimawandels auf den Immobilienmarkt in den USA. Klimabedingten Unwetter verursachten 2023 Schäden in Höhe von 50 Mrd. USD. Als Folge verteuern sich die Unwetter-Versicherungen für Hausbesitzer und manche US-Versicherer bieten schon keine neuen Gebäudeversicherungen mehr an – mit massiven Folgen für Hypothekarkredite.
Für die Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen brauche es ein Miteinander in Europa, erklärte Van der Bellen und nannte als Beispiel für die wichtige Funktion der EU das Zusammenstehen in der Corona-Pandemie und die Rolle der EZB während der Banken- und Staatschuldenkrise: «Wenn spanische Staatsanleihen unter Verkaufsdruck geraten, d.h. die Kurse fallen und die impliziten Zinssätze entsprechend steigen, entsteht Ansteckungsgefahr für italienische und portugiesische Staatsanleihen. Nur die Europäische Zentralbank hat die Mittel und die Reputation dem glaubhaft gegenzusteuern, wie es Mario Draghi 2012 auch tat.» Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine ist für Van der Bellen klar, dass die EU nach wie vor eine Hauptaufgabe in der Friedensförderung hat. Doch auch hier zeigen sich die Konstruktionsschwächen der EU:
Bei allen den Krisen drängt sich eine Frage auf: Wie sieht die Zukunft für Europa aus? Für den österreichischen Bundespräsident liegt der nächste entscheidende Schritt in der Weiterentwicklung zu einer föderalen Union, die den Nationalstaaten Kompetenzen nimmt und der Zentrale ebenso wie den Regionen welche gibt. Er begrüsst indes die aktuelle Erweiterung der EU, die vielen laufenden Beitrittsverfahren. Denn die Krisen erfordern die volle Aufmerksamkeit Europas.
Der Schweiz wünschte Van der Bellen zum Schluss viel Erfolg bei den wiederaufgenommen Verhandlungen mit der EU. Gerade im Hinblick auf das europäische Forschungsprogramm Horizon Europe sei es zwingend nötig, dass die Schweiz wieder Zugang erhalte. Er hoffe, dass sich die ambitionierte Ansage von Ursula von der Leyen bewahrheite und die Verhandlungen bis Ende 2024 abgeschlossen werden. Der Auftakt weckt Hoffnungen: Schweizer Forschende erhalten bereits jetzt wieder Zugang zu gewissen Programmen von Horizon Europe. Davon würden nicht nur Schweizer Forschende profitieren, betonte Van der Bellen, sondern auch ausländische Forschende in der Schweiz.
Von Maura Wyler (Text) und Ueli Christoffel (Bilder)
Was ist die Europäische Union, was bringt sie den Europäerinnen und Europäern und was soll sie in Zukunft können? «Die EU ist seit ihrer Gründung work in progress, man könnte auch sagen: eine Dauerbaustelle» erklärte der Bundespräsident. Dass es die EU heute noch gibt, sei erstaunlich, ergänzte er. Denn das System hat laut Van der Bellen Konstruktionsschwächen, etwa widersprüchliche Anreizstrukturen: «Der Mangel wurzelt im Europäischen Rat, dem Klub der nationalen Regierungschefs. Dieser stellt eine Art europäische Überregierung dar, neben der und abgehoben von der Europäischen Kommission.» Im Europäischen Rat sei es oft schwierig sich zu einigen, es werden Entscheidungen vertagt, nationale Interessen gehen häufig vor. Doch trotz dieser Schwächen, besteht die EU weiter, und das sei gut so, betonte Van der Bellen:
Alexander Van der Bellen ist der amtierende Bundespräsident der Republik Österreich. Der gebürtige Wiener studierte Volkswirtschaft und promovierte an der Universität Innsbruck, wo er von 1970 bis 1980 lehrte und forschte. Danach amtete er als Professor für VWL und zwischenzeitlich als Dekan der Sozial und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Wien. Van der Bellen war lange Zeit Mitglied der Grünen Partei und von 1997 bis 2008 deren Bundessprecher. Im Jahr 2016 wurde er zum Bundespräsidenten gewählt und trat sein Amt im Januar 2017 an.
Alexander Van der Bellen ist der amtierende Bundespräsident der Republik Österreich. Der gebürtige Wiener studierte Volkswirtschaft und promovierte an der Universität Innsbruck, wo er von 1970 bis 1980 lehrte und forschte. Danach amtete er als Professor für VWL und zwischenzeitlich als Dekan der Sozial und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Wien. Van der Bellen war lange Zeit Mitglied der Grünen Partei und von 1997 bis 2008 deren Bundessprecher. Im Jahr 2016 wurde er zum Bundespräsidenten gewählt und trat sein Amt im Januar 2017 an.